Meine Herrschaften, der Wind lässt die kleine Cessna ordentlich tanzen, der Pilot hat Mühe, das Hinterteil nach dem Start wieder einzufangen. Die Propeller röhren, wir schrauben uns höher in den grauen Januar-Himmel und alsbald blicken wir auf das weite Wattenmeer hinter dem Deich, den wir jetzt gerade überqueren. Links liegt der Hafen von Norddeich-Mole und unten in der Wasserrinne steuert einer der Frisia-Kähne Juists Nachbarinsel Norderney an.
Im Mini-Flugzeug bei Windstärke 7,5
Vor uns liegt die 17 Kilometer lange und an ihrer breitesten Stelle drei Kilometer breite “schönste Sandbank der Welt”. Ihr Ende im Westen ist im Dunst der Wolken kaum zu erkennen. Die Sonne probiert immer wieder, die am Himmel dahin fegenden Wolken mit ihren Strahlen zu durchbrechen und ab und zu gelingt es ihr. Die Cessna kämpft sich weiter durch den Wind und schon befinden wir uns im Landeanflug auf Juist, rattern über das immer länger werdende Ostende hinweg, blicken in die Dünen hinunter und erkennen winzige Menschenpunkte auf dem Wanderweg entlang des Watts.
Kurz vor der Landung schaukelt uns der Wind noch einmal ordentlich durch und dann berühren die zwei Gummiräder Juister Boden. Vor dem Miniaturflughafen und einem noch winzigeren Schalterhäuschen kommen wir zum Stehen. Die Piloten wünschen uns einen schönen Aufenthalt auf Juist, wir sollen brav gesund bleiben. Machen wir, sicherlich.
Unsere Koffer rollen auf einem Karren an uns vorbei direkt bis zur Kutsche. Zwei schwarzbraune Kaltblüter warten auf ihre nächste Tour ins Dorf. Etwa 30 Minuten werden wir unterwegs sein, höchstens. Immerhin haben die kompakten Pferde Rückenwind und noch dazu ordentlich Muskeln im Hintern.
Check in im Familien- & Wellnesshotel Pabst
Im Hotel Pabst empfängt uns Frau Pape freundlich und erkundigt sich besorgt nach dem stürmischen Flug. In der Stube sitzen Leute bei Tee und Kuchen, draußen bläst der Wind und von unserem Zimmer schaue ich auf die Strandstraße und höre das Pferdegetrappel. Ich bin – ganz ehrlich – wunschlos glücklich.
Wir müssen jetzt natürlich erst einmal schauen, ob das Meer noch da ist. Die Frage ist selbstverständlich eine rein rhetorische, doch sie stellt sich eben jedes Mal aufs Neue, auch wenn man es per Flugzeug schon gesehen hat. Das spielt keine Rolle, es gibt eben kaum etwas Schöneres als nach einer längeren Juist-Abstinenz auf die Nordsee zu blicken. Dieses Mal bietet sich ein tosendes Bild, denn der Sturm lässt die Wellen tanzen, dass die Gischt nur so spritzt. Weiße Schaumkronen schmücken die Wellen, die unermüdlich auf den nassen Sand klatschen. Das Hochwasser ist schon vorüber, das Wasser zieht sich langsam aber sicher zurück und hinterlässt seine Spur auf dem Sand.
Spaziergang zum Loog
Wir laufen zuerst über Land bis zum Loog über die Billstraße, vorbei an den roten Backsteinhäusern und entlang des Deichs. Die Sonne zeigt sich verstohlen hinter der Wolkendecke und wenn sie eine freie Stelle findet, lässt sie den Himmel dramatisch in orange-gelb und grau schimmern. Weit hinten im Watt stehen langgezogene Punkte am Horizont, die sich nun langsam bewegen. Ah! Eine Wattwanderung, vermutlich mit Heino, dem Sohn von Heino Senior, der seit gefühlt ewigen Zeiten die Wattwanderungen begleitet. Ich wünsche den mutigen Teilnehmern warme Gummistiefel!
Im Loog gibt es, schon seit geraumer Zeit, ich habe es jedoch bisher nur geschlossen erlebt, einen Ableger des allseits bekannten “Lütje Teehaus” im Januspark. Von außen sieht es sehr ähnlich aus wie das Original in der Dorfmitte, von innen dringt warmes Licht durch die weißen Sprossenfenster nach draußen und ja, dies könnte ein Ziel für den morgigen Tag werden.
Heute laufen wir den Aufgang zum Strand hinauf und lassen uns alsbald vom Nordwestwind zurück zum Kurhaus blasen. Vor uns verliert eine Frau ihren Handschuh und rennt ihm zuerst sehr emsig und nach einigen Minuten im Schritttempo nach. Der Wind spielt mit ihrem Handschuh – und ihr. Erst kurz vor den Dünen bekommt sie ihn zurück. Achtung ist geboten, das sehen wir!
Gute Nacht Juist!
Die Sonne versinkt von Wolken versteckt im Westen und im Osten wirft der Beinah-Vollmund bereits sein fahles Licht auf Insel und Meer hinab. Im Kurhaus gehen die Lichter in den Zimmer und im Speisesaal an und die meisten Strandwanderer nehmen Kurs auf ihre Apartments, Hotelzimmer oder Ferienwohnungen.
Heute Abend steht eine Nordwestdeutsche Spezialität auf der Abendkarte im Hotel Pabst: Pinkel mit Grünkohl und Kassler. Ja, richtig gelesen! 🙂
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[…] unendlich zieht er sich dahin, der Strand von Juist, gesäumt von den vom Wind zerfressenen Dünen zu unserer Rechten und dem tosenden, grauen Meer mit […]