Vor Kurzem habe ich zum ersten Mal von den “Normtrottern” gelesen. Der Tourismus Report 2015 vom Zukunftsinstitut definiert sie darin so: “Die Sehnsucht nach dem Besonderen wird verknüpft mit dem Bedürfnis nach Sicherheit, Komfort und einer gemeinsamen Ebene zur Identifikation.” Aha. Was es mit der gemeinsamen Ebene der Identifikation genau auf sich hat, verstehe ich zwar nicht recht, aber ich finde ich mich in dem Wort “Normtrotter” wieder.
Mir scheint, dass ziemlich viele Menschen alles nur nicht normal sein wollen. Sie wollen anders sein, sich herausheben von der Masse und bloss nicht zum Einheitsbrei der Gesellschaft gehören. Warum eigentlich? Mir gefällt das Stück Normalität und ich habe rückblickend den Eindruck, dass ich, auch wenn ich mich zum Beispiel mit Anfang 20 anders gefühlt habe, doch nie wirklich anders war. Ich habe im Grunde genau das gemacht, was die meisten Leute in meinem Alter getan haben und in Abstufungen vermutlich immer noch tun. Eine echte Rebellin, Trendsettern oder ein Paradiesvogel, das war ich nie.
Die Welt durch die Augen eines Normtrotter
Bin ich die Normtrotterin? Ich will die Welt sehen, ich will Menschen treffen und ihre Kulturen kennen lernen, doch dabei brauche ich dieses Quäntchen Sicherheit. Das hat nichts mit Planung zu tun, ich gehöre auch nicht zu denen, die ihre Reisen minutiös durchstylen, die auf einem Roadtrip jedes Hotel im Voraus buchen. Nee. Ich fahre halt los. Aber in einem Auto und nicht in einem überfüllten Zug. Ich halte da an, wo es mir gefällt und schlafe da, wo es noch ein Zimmer gibt. Aber eben nicht in jedem Hotelbett dieser Welt sondern möglichst in einem, bei dessen Anblick ich nicht erschauere vor Widerwillen. Ich brauche auch dieses kleine bisschen Komfort.
Schon früher hat es mich nie zum Backpacking gezogen. Vielleicht hat mir dazu auch einfach der Mut gefehlt. Als ich Abi gemacht habe, das war 1995, machten viele Interrail: mit einem günstigen Zugticket haben sie Europa erkundet, mit nichts als einem Rucksack auf dem Rücken. Sie haben in überfüllten Zügen auf dem Boden oder in Rom auf der Straße geschlafen und allerhand höchst skurrile Dinge erlebt. Und ich dachte schon damals: oh Mann, wie kann man so bescheuert sein? Das war und ist nix für mich.
Sehnsucht nach dem individuellen Gleichstrom
So lautet ein Titel auf dem Online Portal “Businessart” aus Österreich. Individualität, so besagt die Studie vom Zukunftsinstitut, sei zum Normalzustand geworden und längst kein Kriterum mehr, das jemanden von der Masse unterscheiden würde. Mehr als das individuelle Setting zähle für den Reisenden der Zukunft das individuelle Erlebnis – und das kann auch in der Gruppe gewonnen werden. Das könne zum Beispiel der Besuch von Festivals oder die Meditation auf Geschäftsreise sein. Ich denke dabei an Yogareisen. Individualität als oberstes Reiseprinzip, so glauben die Experten, wird mit der kommenden Reisegeneration weniger Gewicht haben.
Gegenbewegung zu “außergewöhnlich um jeden Preis”
Ich definiere Normtrotter für mich eher als Gegenbewegung zu der Kategorie der Abenteuerreisenden. Ich bin im Gegensatz zu ihnen kein bisschen wild auf ständige Action und Grenzerfahrungen und möchte auch nicht von einer Attraktion zur nächsten hetzen. Ich möchte auf Reisen mit allen Sinnen entdecken. Ich möchte mir Zeit nehmen, langsam unterwegs sein, bewusst reisen.
Ob das in einer Gruppe wirklich funktioniert? Sofort fällt mir das Horrorszenario schlechthin in Tommy Jauds köstlichem Buch “Hummeldumm” ein: Ein Pärchen reist in einer Gruppe von lauter Nervensägen durch die Weite Namibias. Zitat: “Was hat er (Matze, der leidende Protagonist des Buchs) denn verbrochen, dass man ihn täglich in einen Kleinbus voller Bekloppter sperrt, um ihn dann zu österreichischen Schlagern über afrikanische Schotterpisten zu rütteln?” Genauso stelle ich mir Gruppenreisen vor. Und ich gebe zu: ich bin noch nie in einer Gruppe gereist.
Wenn Normtrotter das Gegenteil von “um jeden Preis außergewöhnlich” ist, dann fühle ich mich in dieser Schublade ganz gut aufgehoben.
Und außerdem: vielleicht braucht ein Reisestil auch gar keinen Namen.
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