Cool, cooler, Ritva!
Ritva ist die Freundin meiner finnlandbegeisterten Freundin und wohl das, was man unter einer echten Finnin versteht. Vermutlich hat Ritva ihren Beitrag dazu geleistet. Ritva ist inzwischen in Rente und hat zuvor ihr ganzes Leben für das finnische Fremdenverkehrsamt gearbeitet. Ein paar Journalisten oder Blogger durch Helsinki zu führen, das gehörte für sie jahrzehntelang in die Rubrik “business as usual”. Freunde und Freunde von Freunden zeigt sie noch immer gern “ihr Helsinki”. Ich habe also Glück.
Pünktlich um 9:00 Uhr an einem Dienstagmorgen im Oktober betritt sie die Lobby des Hotel Indigo Boulevard. Sie trägt ihr hellbraunes Haar kinnlang und ihre orange Steppjacke leuchtet mir entgegen. Jeans und Turnschuhen weisen auf einen längeren Ausflug hin und obwohl wir uns noch nicht begegnet sind, steuert sie zielstrebig auf mich. Durch ihre Brille blickt sie mir durch freundliche Augen neugierig entgegen.
Sollte Ritva stellvertretend für “die finnische Frau an sich” stehen, so erlebe ich die Frauen dieser Nation als resolut und geradlinig. Ritva jedenfalls nutzt eine erfrischend direkte Sprache und packt die Dinge ohne zu zögern an. Wenig später befinden wir uns auf unserem Gang durch Helsinki, auf dem ich nicht nur viel über die Stadt sondern auch über die Finnen an sich lerne.
Hier geht es zum ausführlichen Bericht “24 Stunden in Helsinki” – mit vielen Fotos!
Winter
Obwohl Finnland nur etwas mehr als zwei Flugstunden von Deutschland entfernt liegt, scheint es mir bei näherer Betrachtung doch sehr anders zu zu gehen in dem Land, in dem die Sonne im Winter um 10:30 Uhr auf und bereits um 15:30 Uhr wieder unter geht. In dem sich im Winter alle Finnen mit möglichst vielen Tätigkeiten von der ewigen Dunkelheit ablenken und neue Sprachen oder Tanzen oder Basteln lernen, Theatergruppen beitreten oder in irgendwelchen Vereinen aktiv werden. Im Sommer dann tummeln sie sich am liebsten draussen und Ritva beschreibt die gesamte Nation in den Monaten mit den unendlich langen Sonnentagen als völlig verändert.
Sommer
Ritva wechselt im Sommer die Nachbarn, denn dann zieht sie in ihr “Mökki” um. Ein Mökki ist das finnische Ferienhaus, das, wenn ich Ritva richtig verstanden habe, so ziemlich jeder Finne besitzt. Es kann sehr klein und einfach oder auch sehr großzügig und luxuriös ausfallen. Meistens befinde es sich in Seenähe. Im Sommer habe man also andere Nachbarn, nämlich die, die nebenan im Mökki wohnen. Wer nicht muss, kehrt im Sommer selten in die Stadt zurück.
Doch auch in der Stadt tobt dann das Leben, erzählt Ritva. Überall gebe es ständig Straßenfeste und musikalische Darbietungen, es würde gefeiert und gesungen und getanzt. In diesen Monaten finden wohl auch solch skurrile Veranstaltungen wie die Luftgitarren-WM, die Meisterschaft im “Frauentragen” oder die Matschfussball-Turniere. Da kommt die WM im Beerenpflücken, die es natürlich auch gibt, vergleichsweise banal daher.
Die Finnen mögen auf ersten Blick ein bisschen steif und ernst wirken, doch der Schein trügt gewaltig. Mir scheint, dass man bei den Finnen genauer hinsehen muss. Nicht alles zeigt sich gleich an der Oberfläche und von meiner Freundin weiß ich, dass die Finnen wie die Teufel feiern können.
Eine Einführung in das Saunieren auf finnisch
Kein Weg führt natürlich an der finnischen Sauna vorbei. Kein noch so winziges Örtchen in Finnland, in der es keine Schwitzhütte gäbe. In Finnland gehört die Sauna zur Grundausstattung, selbst ein Zirkus führt einen Saunawagen mit sich, wie ich selbst gesehen habe. Finnen können ohne Sauna nicht leben, und dabei geht es ihnen kein bisschen um ihre Gesundheit.
Als Ritva zum ersten Mal eine deutsche Sauna besuchte, war sie mehr als erstaunt. Als erstes verstand sie nicht, warum jemand draussen “die Saunaregeln” angeschlagen hatte. Die Finnen brauchen nämlich zum Saunieren keine Regeln, sie saunieren einfach. Übrigens auch dann, wenn sie erkältet sind, wovon bei uns zu Lande gänzlich abgeraten würde. Wer meint, er könne saunieren, täte das auch, erklärt Ritva. Und wenn ein Arzt etwas anderes empfähle, würden die Finnen eben den Arzt wechseln.
Als zweites erblickte sie die Sanduhr und fragte sich, wozu die Deutschen sie in Gottes Namen brauchen, denn Finnen saunieren grundsätzlich ohne irgend eine Art von Uhr. Wieder zurück in Finnland, berichtete sie später einer Freundin davon, die ebenfalls völlig verständnislos fragte: “Ja, aber wozu brauchen sie sie denn?” Ritva antwortete wahrheitsgemäß, dass sie den Deutschen anzeige, wie lange sie in der Sauna bleiben sollten. Darauf verständnislos die Freundin:”Ja, aber woher soll die Sanduhr denn das wissen?!”
Das dritte für Ritva sehr denkwürdige Ereignis in der Sauna war der Aufguss, denn solche Sperenzchen braucht auch kein Finne. Als sie, als einzige ganz oben sitzend und darum schon irritiert von den anderen Saunierenden beäugt, auf den wild mit einem Handtuch herum wedelnden jungen Mann herab blickte, begann sie schallend zu lachen. Was nicht eben zur allgemeinen Erheiterung der anderen, sondern zu befremdlichen Blicken beitrug.
Was uns zu Punkt vier der Merkwürdigkeiten bringt, denn gelacht und gesprochen wird in deutschen Saunen ja auch nicht. In Finnischen schon, eigentlich ginge es nur darum, erklärt Ritva. Den gesundheitlichen Aspekt des Saunierens interessiere in Finnland niemanden. Man sauniert, um Freunde und Bekannte zu treffen. Übrigens getrennt nach Weiblein und Männlein, zumindest in den öffentlichen Saunen. Was man zu Hause macht, sei natürlich jedem selbst überlassen.
Ein Wort ist ein Wort
Ansonsten erfahre ich, dass die Finnen schon seit Jahrzehnten in Gleitzeit arbeiten und sich daran noch nie jemand gestört habe. Ebenso trinken sie gern mal einen über den Durst, leider meistens im Ausland, weil der Alkohol zu Hause so teuer ist. Sie nehmen Worte für bare Münze und man sollte achtsam mit vorschnellen Einladungen sein, ein Finne nimmt sie ernst.
Unser Spaziergang neigt sich dem Ende. Ritva muss nun auch los, sie ist erst gestern aus dem Ausland nach Helsinki zurück gekehrt und hat den Haushalt auf Vordermann zu bringen. Später wird sie wahrscheinlich noch in die Sauna gehen. Natürlich.
Links:
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