Einer nach dem anderen macht die Schotten dicht und es scheint, als würde nun Juist und nicht die Gäste Ferien machen. Die Insel versinkt im Winterschlaf, ganz allmählich schließt ein ums andere Haus einfach die Türen zu und macht das Licht aus. Tschüss Juist, auch Insulaner brauchen mal Urlaub! Und die Pferde natürlich auch.
Zuerst war es der Friesenhof. Ein Schild mit der Aufschrift „Betriebsferien“ verkündetet dort schon seit unserer Ankunft, dass diese Saison für die Crew vom Friesenhof beendet ist. Am 12. Januar ist es bei den Päbsten vom Hotel Pabst soweit und wir hören morgens beim Frühstück aus den Gesprächen der anderen, mehrheitlich westfälischen Gästen heraus, dass die Domäne Bill nun auch vorerst Ferien macht.
Auf eine Waffel und Tee im Lütje Teehus
Im Lütje Teehus bei Waffeln einem Kännchen Tee auf dem Stövchen kommen wir mit einer Mitarbeiterin des Kurhauses ins Gespräch. Sie lebt seit Februar auf der Insel und verbringt ihren freien Tag unter anderem in dem Café am Januspark. Um eine Waffel mit Vanilleeis und Sahne zu essen und einen grünen Tee zu trinken. Einen, der bitte nicht mit kochend heißem Wasser aufgegossen wird, denn dann wird er ja bitter. Die Erfahrung hat sie schon gemacht und bestellt den Tee diesmal lieber separat. Sie erzählt uns, dass sie gerade an der Rezeption im Kurhaus angefangen hat und zuvor im Hotel Atlantik im Service gearbeitet hat. Wie es ihr denn so gefällt, das Leben auf Juist, wollen wir wissen. „Oh, sehr gut“, antwortet sie strahlend. „Ich vermisse hier nichts. Die Ruhe, die Luft, die Leute – alles super!“ Sie wohnt in einer kleinen Personalwohnung und scheint glücklich zu sein. Das glaube ich gern, denke ich ein wenig wehmütig. Ich muss gestehen, dass mir diese Idee, mal für eine Zeit das Weite zu suchen und hier in dem Mikrokosmos Insel Juist zu leben, durchaus öfter als früher durch den Kopf streicht.
Morgens aufzuwachen ohne die Geräusche der nahen Stadt, der Wind und das Licht, wenn die Sonne scheint, die Eintönigkeit der Tage, wie sie so dahinziehen, das hat seinen Reiz. Für mich. Im Moment.
Schotten dicht
Sie erzählt uns von all den Dingen, die sie nun als Rezeptionistin lernen darf und dass sie sich sehr darauf freut. Eine vorbildliche Mitarbeiterin, wie sie da bei Tee und Waffel an ihrem freien Tag ihre Notizen büffelt. Dabei erfahren wir auch, dass das Kurhaus ebenfalls die Schotten dicht macht, heute sei der letzte Tag. Ab heute Abend wird kein warmes Licht mehr aus dem großen, weißen Saal nach außen dringen, nun ist Schluss. Nur die Rezeption und die Reservierung werden noch besetzt sein.
Nach und nach schließen nur beinah alle großen Hotels der Insel und es wird noch ruhiger als ohnehin schon. Juist macht Ferien. Die Juister fahren in den wohlverdienten Urlaub, nach Miami oder Südafrika oder sonst wohin auf die Welt, die, wenn man auf Juist lebt, noch viel größer sein muss als ohnehin schon.
Der Strand wird leerer, die Gästezahl nimmt stetig ab und es kehrt so etwas wie das normale Leben für die Juister auf der Insel ein. Oder ist das normale Leben schon viel eher das zu den Saisonzeiten? Ich weiß es nicht, privater geht es jedenfalls wohl jetzt zu. Der milde Winter bietet den Handwerkern Gelegenheit, die anstehenden Reparaturen vorzunehmen, an den Hotels und den Ferienwohungen und Häusern, die die Gäste bereits zu Karneval wieder beleben werden. Auf dem Wasserturm stehen Menschen, erkenne ich aus meinem Fenster, sie nehmen gerade den überdimensionalen Weihnachtsstern ab. Morgen sei auch der Weihnachtsbaum beim Nordseehotel Freese dran, schnappe ich von zwei Friesen auf, die abends mit ihren Hunden spazieren gehen.
Ich drehe zum letzten Mal meine Abendrunde über die Promenade, am Kurhaus rechts und dann an der Strandhalle vorbei, die, wie ich höre, nicht mehr zum Hotel Pabst gehört. Diese Tatsache habe sich auch gleich negativ auf den Eierlikörpunsch ausgewirkt, der ab sofort statt mit Wein mit Wasser gemixt würde. Ja, wo gibt es denn auch so was? Hinter der Schirmbar biege ich ab und gehe durch den Sand hinunter zum Strand. Das Meer gurgelt vor sich hin, der Wind hat sich gelegt und es ist gefühlt beinah mild. Der Vollmond wirft sein helles, fahles Licht auf mich und den Sand und das Meer. Wie eine angeknipste Lampe beleuchtet er meinen Weg. An der ehemaligen “Kate” mit ihrem runden Reetdach trete ich den Weg zurück auf die Promenade an, die einzige Disco, die seit ewigen Zeiten “Zappel” heißt und damit eigentlich alles sagt, hat, natürlich, ebenfalls geschlossen. Keine Massen von Fahrrädern vor der Tür, kein dumpfes “Bum Bum” tönt mehr aus dem Inneren und keine Teenager stehen draußen und lachen und schwatzen. Dafür einsam leuchtende Straßenlaternen, verwehter Sand auf den roten Pflastersteinen und Sterne über mir. Ich gehe weiter hinunter bis zur katholischen Kirche und quere die Insel einmal komplett innerhalb von nicht mehr als 10 Minuten, um den Rückweg über den Deich anzutreten. Da liegt es rechts von mir, das Juister Dorf, das Achterdiek Hotel, das, wie man sagt, “das beste Haus am Platze”, in dem inzwischen auch die meisten Fenster dunkel bleiben. Juist macht Ferien, so ist es jetzt, Anfang Januar. Der Start in das neue Jahr beginnt mit Urlaub, Durchschnaufen, Kraft tanken für 2015.
An diesem Morgen wache ich traurig auf. So ist das immer am letzten Tag auf der Insel. So richtig gefreut darauf, wieder nach Hause zu kommen, habe ich mich noch nie. Egal, wie lange ich hier war. In den Endlos-Sommern der Kindheit gab es viel zu viel zu tun, am Strand und am Schiffchenteich und mit den anderen Kindern. Später, in der Teenagerzeit gab es meistens eine heftige Liebe, die das Heimfahren erheblich erschwerte und dann wurde es die Ruhe und die Natur und der Juister Charme, der das große Bedauern über das Verlassen müssen dieser Oase bewirkte. Es nutzt ja nichts, Koffer packen und ab zum Schiff.
An Bord finden wir mit Mühe einen Sitzplatz, nicht nur wir müssen Abschied nehmen. Vom Deck aus beobachte ich, wie sich die schmale Insel immer weiter entfernt. In meinem Kopf gehe ich meinen Jahresterminkalender durch und suche nach einer Lücke. Für den nächsten Juistbesuch.
Als ich mich umsehe bemerke ich, dass ich nicht die einzige bin, die Abschiedsschmerz empfindet und ein wehmütiges Gesicht macht. Die Strahlenden, Fröhlichen sind vermutlich die Juister selbst, die endlich in die Ferien fahren dürfen.
Kurz vor Ankunft in Norddeich-Mole bringt mich eine Durchsage in breitem friesisch doch noch zum Schmunzeln: „An alle Handybesitzer“, sagt die männliche Stimme gemächlich und kein bisschen aufgebracht. „Wer ein Handy…(Pause) …. mit … (Pause) … äh, selbstgestrickter Hülle vermisst…. (Pause) soll sich bitte am Fahrkartenschalter melden.“ Selbstgestrickt? Meine unbekannte Nachbarin und ich schauen verwundert hoch und müssen im selben Moment lachen.
Juist macht jetzt Ferien und ich mache bald wieder Ferien auf Juist. Das ist so klar wie der Dornkaat – mit oder ohne Pflaume.
Anreise:
- Mit dem Zug bis nach Norddeich-Mole
- Mit dem Auto bis Norddeich-Mole; Parkplätze gegen Gebühr für 4,50 Euro pro Tag
- Mit der Fähre in ca. 90 Minuten ab Norddeich-Mole mit der Reederei Norden Frisia. Achtung: die Schiffe verkehren in der Nebensaison teilweise nur einmal täglich.
- Mit dem Flugzeug in 7 Minuten ab Flughafen Norddeich; Parkplätze vorhanden, Tagespreis 4,50 Euro
- Kombi-Ticket: wer bei An- und Abreise Fähre und Flugzeug kombinieren möchte, kann das bequem tun: das Auto wird gegen eine Gebühr von 10 Euro entweder vom Flughafen zur Fähre oder umgekehrt gebracht.
Links:
Reederei Norden Frisia: www.reederei-frisia.de
Anreise mit dem Flugzeug: www.juist.de/zauberinsel/anreise/flugzeug
Informationen zu Juist & Anterkänften von der Kurverwaltung Juist: www.juist.de/startseite
BE IN LOVE
WITH JUIST!
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